Das Ende der Braunkohle naht. Und das ist nicht nur gut für das Weltklima. Vor Ort – vor allem am Rand des Tagebaus Garzweiler II in Erkelenz und in weiten Teilen des Kreises Heinsberg – muss man sich auf einen wirtschaftlichen Strukturwandel einstellen, der auch neue, vielversprechende Perspektiven für eine zukunftsorientierte Entwicklung mit sich bringt. Landrat Stephan Pusch ist sich sicher: „Jetzt kommt es darauf an, dass wir gemeinsam für unsere Region möglichst gute Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten schaffen.“. Deshalb trafen sich Pusch und der Erkelenzer Bürgermeister Peter Jansen mit den Landtagsabgeordneten Thomas Schnelle und Bernd Krückel sowie dem Bundestagsabgeordneten Wilfried Oellers. Im Mittelpunkt der Gespräche, an denen auch die Erkelenzer Verwaltungsspitze und der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Heinsberg, Ulrich Schirowski, teilnahmen, standen die Ergebnisse der Braunkohlekommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ und die Konsequenzen für den Tagebaurand Garzweiler II sowie den gesamten Kreis Heinsberg.
Generationenprojekt Braunkohlen-Strukturwandel
Die Aufgabe der im Sommer letzten Jahres von der Bundesregierung eingesetzten Kommission mutete an wie die Quadratur des Kreises: Vor dem Hintergrund der ambitionierten Klimaschutzziele Deutschlands soll ein Weg für einen früheren Ausstieg aus der Kohleverstromung und damit für das Ende des Braunkohletagebaus aufgezeigt werden. Gleichzeitig sollen für die betroffenen Regionen konkrete Perspektiven für neue, zukunftsorientierte Arbeitsplätze und einen geordneten Strukturwandel erarbeitet werden. Ein Balanceakt zwischen dem Zieldreieck aus energetischer Versorgungsicherheit, regionaler Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz. Und eine Mammutaufgabe.
Damit dieses „Generationenprojekt“ gelingen kann, soll der Bund in den nächsten 20 Jahren den betroffenen Regionen in West- und Ostdeutschland Fördermittel in einer Größenordnung von 40 Milliarden Euro zur Verfügung stellen – rund 15 Milliarden allein für Nordrhein-Westfalen und damit für das Rheinische Revier. MdB Wilfried Oellers legt Wert darauf, dass die Mittel nicht nach dem „Gießkannenprinzip“ in die Regionen fließen. „Die Mittel müssen zielgerichtet eingesetzt werden. Für die Bürgerinnen und Bürger müssen diese Projekte zeitnah sichtbar sein, damit sie erkennen, dass der Strukturwandel vorangeht“, so Oellers. Die Förderung wird projektbezogen erfolgen. Alle geförderten Projekte sollen als Teil eines strategischen Gesamtkonzeptes die Region und damit den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen langfristig voran bringen.
Zustimmung – aber auch kritische Stimmen
Bei aller Anerkennung für die schwierige Aufgabe der Kommission formulierte Bürgermeister Jansen auch deutliche Kritik: „Es muss konstatiert werden, dass die gravierenden Probleme der Umsiedler und der Menschen, die am Tagebaurand Garzweiler II leben, nicht ausreichend gewürdigt werden.“ Konkrete Zukunftsplanungen für diese Menschen seien immer noch nicht möglich – ein unhaltbarer Zustand, der so nicht länger hingenommen werde dürfe. Dem schlossen sich Landrat und Abgeordnete nachdrücklich an. Gemeinsam wolle man sich bei Land und Bund dafür stark machen, dass die „Hängepartie“ für die Erkelenzer Bürger am Tagebaurand nun schnellstmöglich zu einem Ende komme.
Durchweg positiv wurden hingegen die in Aussicht gestellten weitreichenden Fördermittel bewertet, die die gesamte Region in die Lage versetzen wird, den Strukturwandel aktiv zu gestalten. „Um von der Förderung profitieren zu können, brauchen wir gute Projekte, die mit der Zukunftsstrategie für das Rheinische Revier kompatibel sind“, so MdL Thomas Schnelle. Den Tagebau Garzweiler, mit dem Zweckverband Tagebaufolge(n)landschaft im Verbund der Stadt Erkelenz mit den Gemeinden Jüchen, Titz und der Stadt Mönchengladbach, sieht er diesbezüglich bereits gut aufgestellt. Und auch der Erkelenzer Bürgermeister Jansen ist sich sicher, dass man „die Hausaufgaben gemacht habe.“. Großvorhaben im Bereich der Tagebaurandgestaltung, der Verkehrsinfrastrukturentwicklung in die Ballungsräume Düsseldorf und Köln und in der Gewerbegebietsentwicklung seien in Vorbereitung. „Zudem könnte das Innovationsthema Agrobusiness künftig von größerer Bedeutung werden. Gute Voraussetzungen dafür haben wir jedenfalls“, so Jansen. Er hat dabei auch die Unternehmensstruktur im Kreis Heinsberg im Blick und sieht viele mögliche Synergien.
Chancen für die Entwicklungen im gesamten Kreis Heinsberg
Denn klar ist: Nicht allein der Tagebaurand, sondern darüber hinaus auch der gesamte Kreis Heinsberg werden in die künftige Fördergebietskulisse für das Rheinische Revier aufgenommen. Landrat Pusch betont: „Für uns gilt: Erkelenz zuerst! Denn hier waren und sind die Belastungen durch den Tagebau am höchsten. Aber regionalökonomische Veränderungsprozesse sind nicht kleinräumig begrenzt. Zulieferunternehmen von RWE im gesamten Kreis werden das Ende des Tagebaus schmerzlich zu spüren bekommen. Und auch darauf müssen wir vorbereitet sein.“. Bereits jetzt seien verschiedene Verkehrsinfrastrukturprojekte im Projektkanon, sowohl für Schienen als auch für Straßen. Die Entwicklung von weiteren attraktiven Gewerbegebieten habe im Kreis Heinsberg angesichts der seit Jahren anhaltend guten Nachfrage Priorität. Eine besondere Rolle soll darüber hinaus die Entwicklung der mehr als 200 ha umfassenden LEP-Fläche in Geilenkirchen Lindern spielen, die sich zum größten Teil ohnehin seit Jahrzehnten im Landesbesitz befindet. In Schlagdistanz zu den Forschungseinrichtungen in Jülich und mit einer guten Anbindung an die RWTH Aachen könne hier in einigen Jahren „Großes“ entstehen. Weitere Projekte im Bereich Digitalisierung und autonome Mobilität sind in Vorbereitung.
Und dabei soll es nicht bleiben – da waren sich Landrat, Bürgermeister und Abgeordnete einig.
Gemeinsame Position: (v.l.n.r.) WFG-Geschäftsführer Ulrich Schirowski, Bernd Krückel (MdL), Bürgermeister Peter Jansen, Thomas Schnelle (MdL), Wilfried Oellers (MdB)
Foto: Stadt Erkelenz (Dr. Hans-Heiner Gotzen)