Anlässlich des Internationalen Frauentages organisiert die Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Heinsberg jährlich Aktionen, die sich mit der Lebenswelt von Frauen befassen. Aufgrund der Corona-Pandemie muss diese Veranstaltung 2021 zum zweiten Mal in Folge ausfallen. Deshalb hat die Arbeitsgemeinschaft Informationen zusammengestellt, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen.
Frauen im Berufsleben
Aktuelle Statistiken zeigen, dass in Berufen, die mit Menschen zu tun haben, traditionell immer noch überwiegend Frauen arbeiten. Dies sind die Pflegeberufe, Berufe im Sozial- und Erziehungsbereich und auch der Einzelhandel. Daneben nehmen Frauen auch überwiegend die unbezahlte Sorgearbeit zu Hause wahr.
Gerade die Corona- Pandemie mache offenkundig, dass die tradierten Rollenmuster noch lange nicht aufgebrochen seien. Es bestehe die Gefahr, dass sich diese erst einmal weiter zementieren. Die Anstrengungen, Gleichstellung zu erreichen, dürften nicht nachlassen.
Oft sind es gerade die von Frauen dominierten Bereiche wie Pflege, Kinderbetreuung und Einzelhandel, die die Gesellschaft durch die Pandemie tragen. Der Frauenanteil liegt hier bei 75 Prozent (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung). Eine langfristige Wertschätzung erfolgte bislang nicht – es blieb bei Gesten und Dankesbekundungen.
Qualifizierte Frauen bleiben oft auf der Strecke
Im Juli 2020 sagte Bundesfrauenministerin Franziska Giffey: „Wenn Unternehmen sagen: Wir sind ein technisches Unternehmen. Wir haben keine guten Frauen. Dann sage ich immer: Im Abitur und im Studium waren die noch da. Wo sind die denn alle hin? …“ Die Antwort auf diese Frage lautet oft, dass Frauen mit guter schulischer und beruflicher Qualifikation über die „Hindernisse“ männlich geprägter Strukturen gestolpert und auf dem Karriereweg auf der Strecke geblieben sind. Häufige Gründe sind fehlende Unterstützung und nicht optimale Bedingungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Auch die Bundesregierung hat erkannt, dass es ohne staatliche Lenkung nicht gelingt, die Frauenquoten in den Führungsetagen von Unternehmen zu erhöhen. Daher wurde 2016 das Führungspositionen-Gesetz verabschiedet. Darin festgelegt wurde eine Frauenquote für Aufsichtsräte, mit der Novellierung Anfang 2021 nun auch für Vorstände von börsennotierten Unternehmen. Im öffentlichen Dienst sind mehr als die Hälfte der Beschäftigten Frauen. Ein Blick in die Führungsebene zeigt aber, dass auch hier Frauen unterrepräsentiert sind, obwohl weitgehend die Verpflichtung zur Gleichstellung besteht.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat sich sicherlich einiges getan, zum Beispiel beim Elterngeld, der Elternzeit und dem Anspruch auf Anpassung der Arbeitszeit.
Gleichwohl sind es in den Familien überwiegend die Frauen, die diese Möglichkeiten in Anspruch nehmen. Sie haben meistens den geringer bezahlten Job mit weniger Verantwortung in Teilzeit inne und leisten daher auch logischerweise den Großteil der unbezahlten Fürsorge-Arbeit wie Kinderbetreuung und Haushaltsführung.
Dies kann zur Folge haben, dass Frauen aufgrund von weniger Präsenz bei anstehenden Beförderungen nicht so gut beurteilt und von männlichen Mitbewerbern überholt werden. Die Arbeitswelt ist noch sehr auf das Vollzeit-Modell ausgelegt. Eine Reduzierung von Arbeitsstunden ist oft mit einem Karrierestopp verbunden oder schlicht nicht möglich. Familienmodelle, in welchen beide Elternteile reduziert arbeiten und sich die Fürsorge-Arbeit gleich aufteilen, erfordern Kreativität und Mut und bringen oft finanzielle Verluste.
Dabei ist eine Arbeitskraft nicht weniger wert, wenn sie nicht die volle Stundenzahl arbeitet. Beide Elternteile können Kinderbetreuung und Haushalt leisten. Hier gebe es noch viel zu tun, sowohl auf Seiten der Familien als auch auf Seiten der Arbeitgeber. Eine Gleichstellung von Frau und Mann auch im Familien-Arbeits-Kontext habe Mehrwert – dafür lohne es sich zu engagieren.
Frauen werden anders wahrgenommen
Selbst in der Wahrnehmung werden Frauen manchmal anders beurteilt. Ergreift ein Mann häufig das Wort und macht klare Ansagen, wird das als kompetent und souverän wahrgenommen. Verhält sich eine Frau genauso, wird sie als dominant und vorlaut eingeschätzt. Und zwar sowohl von Männern als auch von anderen Frauen (Süddeutsche Zeitung 27.04.2016).
Richtig ist aber auch, dass Frauen sich oftmals scheuen, Führungsaufgaben zu übernehmen. Sie stellen sich mehr als männliche Mitbewerber die Frage: Kann ich das, schaffe ich das, bin ich qualifiziert genug? Frauen bewerben sich erst auf eine höhere Position, wenn sie zu 100 Prozent die Anforderungen erfüllen, Männern reichen 60 Prozent - das hat eine Auswertung von internen Bewerberdaten bei Hewlett Packard ergeben (Süddeutsche Zeitung 27.04.2016).
Gleichstellungsbeauftragte achten deshalb darauf, dass Frauen gleichermaßen die Möglichkeit zur Qualifizierung erhalten, motivieren die Kolleginnen aber auch, sich weiter fortzubilden bzw. sich auf vakante Positionen für die Führungsebene zu bewerben.
Frauen in der Politik
Lag der Anteil der Frauen im Bundestag vor 2017 noch bei 37,3 Prozent, ging er nach der letzten Bundestagswahl auf 30,7 Prozent zurück. Im Landtag NRW beträgt der Frauenanteil aktuell 27,6 Prozent und ist damit ebenfalls im Vergleich zu den vorherigen Wahlperioden rückläufig. Es gilt, über Jahrzehnte gewachsene männliche (Macht-)Strukturen aufzubrechen. Eine verbindliche Frauenquote für die Besetzung von Vorstandsposten und Listenplätzen konnte zum Beispiel noch nicht überall etabliert werden.
In den Kommunalparlamenten in NRW ist der Frauenanteil nach der letzten Kommunalwahl nur leicht von 30 Prozent auf 34 Prozent gestiegen. Oft scheitere es an den gegebenen Bedingungen. Das politische System auf kommunaler Ebene sei männlich geprägt. Dies mache es Frauen schwer, ein politisches Amt und Familie miteinander zu vereinbaren. Hier könnten vielleicht organisatorische Veränderungen ein wichtiger Baustein zur Vereinbarkeit von Familie und politischer Arbeit sein. Denkbar wäre die Möglichkeit der Kinderbetreuung für die Zeiten von Ausschuss- bzw. Ratssitzungen, eine Umstellung auf Onlinesitzungen oder Hybridveranstaltungen in der Parteiarbeit.
Kommunalpolitik ist überwiegend männlich besetzt
Frauenanteil in den Stadträten der kreisangehörigen Kommunen und Kreistag im Kreis Heinsberg
Kommune | 2014- 2020 | Ab 2020 |
Stadt Erkelenz | 20,83 % (10 Frauen) | 30 % (15 Frauen) |
Stadt Geilenkirchen | 21,05 % (8 Frauen) | 31,57 % (12 Frauen) |
Stadt Heinsberg | 22,73 % (10 Frauen) | 18,18 % (8 Frauen) |
Stadt Hückelhoven | 20,45 % (9 Frauen) | 20,45 % (9 Frauen) |
Stadt Übach-Palenberg | 12,50 % (4 Frauen) | 21,88 % (7 Frauen) |
Stadt Wassenberg | 33,3 % (12 Frauen) | 23,7 % (9 Frauen) |
Stadt Wegberg | 38,89% (14 Frauen) | 36,11 % (13 Frauen) |
Kreis Heinsberg | 20,37 % (11 Frauen) | 24,07 % (13 Frauen) |
Deutschlandweit wird nicht einmal jedes zehnte Rathaus (9 Prozent) von einer Frau geführt. Im Kreis Heinsberg ist Daniela Ritzerfeld als Bürgermeisterin der Stadt Geilenkirchen eine Ausnahme, alle anderen Chefsessel in den Rathäusern sind von Männern besetzt. Auch in der Vergangenheit gab es mit Hedwig Klein in Wegberg erst eine hauptamtliche Bürgermeisterin im Kreis Heinsberg (1999-2009).
Natürlich muss man hierzu auch sagen, dass zum Beispiel bei der letzten Kommunalwahl im Kreis Heinsberg nur wenige Frauen überhaupt als Kandidatin für das Spitzenamt im Kreishaus bzw. in den Rathäusern angetreten sind. Hier wäre es auf jeden Fall wünschenswert, wenn der Anteil der Bewerberinnen in den nächsten Jahren zunehmen würde.
Gewalt an Frauen
Nicht nur in der Arbeitswelt und in der Politik müssen Frauen sich gegen über Jahrzehnte gewachsene Strukturen behaupten: Wichtig ist auch das Themenfeld Gewalt in allen Formen. Es sind überwiegend Frauen, die sich psychischer und physischer Gewalt, sexueller Belästigung und Stalking ausgesetzt sehen. 81Prozent der Personen, die von partnerschaftlicher Gewalt, Nötigung oder Stalking betroffen sind, sind Frauen (Kriminalstatistik 2019).
Nicht zuletzt die „MeToo“-Debatte hat gezeigt, dass manche Männer es nicht schlimm bzw. fast normal finden, bei Frauen sexuelles Entgegenkommen einzufordern. Durch den Vormarsch der sozialen Medien spielt sich Belästigung jeder Art nicht nur auf der körperlichen Ebene, sondern auch immer mehr virtuell ab. Frauen erhalten beispielsweise ungefragt beleidigende Sprüche, anstößige und auch gewaltvolle Bilder und Videos. Das dies mehr verbreitet ist als man sich vielleicht vorstellt, zeigten junge bekannte Fernsehgesichter im Kurzfilm „Männerwelten“, das 2020 zur Prime Time im Privatfernsehen für großes Aufsehen sorgte.
Breites Spektrum an frauenspezifischen Themen
Die aufgeführten Themen sind nicht abschließend, sondern bieten nur einen kleinen Einblick in die generellen Lebensumstände von Frauen, wie sie sich heute darstellen. Armut im Alter, Zwangsprostitution, Zwangsehe und auch Genitalverstümmelung (international ein Thema, aber auch schon lange in Deutschland angekommen) und vieles mehr sind ebenfalls Lebensbereiche, mit denen es sich zu beschäftigen gilt.
Im weltweiten Vergleich (Global Gender Gap Report) liegt Deutschland auf Platz 10 bei der Gleichberechtigung. An der Spitze liegt Island, vor Deutschland finden sich unter anderem Nicaragua und Ruanda. In diesem Tempo ist die Gleichstellung weltweit erst in einem Jahrhundert erreicht (Global Gender Gap Report 2019 des Weltwirtschaftsforums).
Deutschland hat in Sachen Gleichstellung also noch einiges zu tun. In der ersten Gleichstellungsstrategie des Bundes aus 2020 werden Ziele und Programme der Regierung für die Gleichstellung von Frau und Mann festgelegt, die resortübergreifend zu berücksichtigen sind (www.gleichstellungsstrategie.de).
Internationaler Frauentag
Seit über 100 Jahren wird der Internationale Frauentag am 8. März weltweit genutzt, um mit Aktionen immer wieder auf die Herausforderungen für Frauen in unserer Zeit aufmerksam zu machen. In insgesamt 26 Ländern ist der Internationale Frauentag ein Feiertag, seit 2019 auch im Bundesland Berlin, bislang dem einzigen Bundesland in Deutschland. Er entstand als Initiative sozialistischer Organisationen in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg im Kampf um Gleichberechtigung. Erstmals fand der Frauentag am 19. März 1911 statt, mehr als eine Million Frauen gingen an diesem ersten Internationalen Frauentag auf die Straße, um für ihre Rechte – insbesondere das Wahlrecht – zu kämpfen. In den Folgejahren beteiligten sich immer mehr Frauen an den Demonstrationen. Im Laufe der Jahre entwickelte sich der 8. März zum Datum, an dem weltweit der Internationale Frauentag gefeiert wird.
Die Gleichstellungsbeauftragten aus dem Kreisgebiet Heinsberg nehmen seit Ende der 1990iger Jahre jedes Jahr den Internationalen Frauentag zum Anlass, eine Veranstaltung für Frauen und Mädchen im Kreis Heinsberg zu organisieren. Jedes Jahr in einem anderen Ort des Kreises und jedes Jahr steht ein anderes Thema im Mittelpunkt.
Jahr | Titel und Ort der Veranstaltung |
1997 | Markt der Möglichkeiten im Kreishaus Heinsberg |
1998 | Handwerkerinnen- und Kunsthandwerkerinnen-Markt in Wegberg |
1999 | Wir haben Mut zum Träumen in Hückelhoven |
2000 | Frau macht mobil im Kreis Heinsberg in Übach-Palenberg |
2001 | Kulturen verbinden – Ausländische Frauen präsentieren ihre Nation in Erkelenz |
2002 | Wege aus der Gewalt in Wassenberg |
2003 | Girls` Way – Girls` Day- Technik und Handwerk – Eine Chance für Mädchen in Heinsberg |
2004 | 50plus –Leistungsfähig-Fit-Gelassen in Wegberg |
2005 | Ausstellung Frauenbilder in Erkelenz |
2006 | Frauen in Bewegung - Richtung Kunst in Erkelenz |
2007 | 10 Jahre AG Gleichstellung – Ausstellung, Gesang, Kabarett, neue Broschüre in Übach-Palenberg |
2008 | Frauen im Kreis Heinsberg – Verschiedene Herkunft – gemeinsame Zukunft!? in Hückelhoven |
2009 | Mädchen im Mittelpunkt in Erkelenz |
2010 | Pflegefall in weiter Ferne in Wassenberg |
2011 | Selbst(-ständig) ist die Frau! – erfolgreiche Unternehmerinnen zeigen, wie es geht in Heinsberg |
2012 | Frauen im Stress – Jule Vollmer in Erkelenz |
2013 | Wiedereinstieg im Fokus–Chancen 2013; Workshop-Reihe; 18 Termine mit 10 Themen in 6 Städten |
2014 | Ess-Störungen im Fokus – Ausstellung „Klang meines Körpers“ im Kreishaus |
2015 | Frauen stärken – Frauenstärken in Übach-Palenberg |
2016 | Gleiche Chancen für Mann und Frau – Kabarettabend in Hückelhoven |
2017 | Internationales Frauenfrühstück – Vielfalt kennenlernen und genießen in Erkelenz |
2018 | Filmabend – Suffragette-Taten statt Worte - 100 Jahre Frauenwahlrecht in Heinsberg |
2019 | Hexenbrand im Heinsberger Land – Hexenverfolgung im Naturtheater in Wassenberg |
2020 | Betriebe in Frauenhand in Erkelenz und Wegberg – wegen Corona ausgefallen – |
Die breite Palette zeigt, wie vielfältig das Thema Gleichberechtigung ist. Der Internationale Frauentag ist nicht nur ein Tag, an dem auf Probleme aufmerksam gemacht wird, sondern auch ein Tag, an dem Frauen stolz darauf blicken können, wie viel sie erreicht haben und täglich erreichen und leisten – sei es im Beruf, in der Familie, im Ehrenamt, in der Pflege und in vielen anderen Bereichen.
Ansprechpartnerinnen
Für einen Austausch über Frauenthemen, aber auch bei Problemsituationen stehen die Kolleginnen der Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten immer gerne mit Rat und Tat zur Seite. Für Erkelenz sind dies:
- Elke Bodewein
02431/85248
elke.bodewein@erkelenz.de
- Anja Minkenberg
02431/85217
anja.minkenberg@erkelenz.de