Bürgermeister Stephan Muckel verwies auf die großen Herausforderungen, vor denen Europa heute steht. „Immer mehr politische Kräfte versuchen, sich auf nationale Interessen zu konzentrieren und das Trennende zu betonen, anstatt das Gemeinsame zu fördern“, erklärte er. Vor diesem Hintergrund seien Freundschaften innerhalb Deutschlands, wie die zwischen Lövenich und Thum, von herausragender Bedeutung, da sie einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt und zur Stärkung der Demokratie leisten. Muckel hob die zentrale Rolle des Freundeskreises Erkelenz-Thum hervor. „Ohne ihren unermüdlichen Einsatz wäre diese Verbindung nicht das, was sie heute ist.“ Sein Dank galt insbesondere Klaus Ruetz, dem Vorsitzenden des Freundeskreises, der seit Anfang der 1990er Jahre die freundschaftlichen Beziehungen aufgebaut und seither unzählige Begegnungen organisiert hat.
„Herzlichkeit und Freiwilligkeit“
Thomas Mauersberger, Bürgermeister der Stadt Thum, erklärte, warum diese Städtefreundschaft für ihn so bedeutsam ist. Im Vergleich zu den erzwungenen Partnerschaften der DDR-Zeit, wie sie den Thumern und anderen Städten damals auferlegt wurden, sei die Verbindung zu Erkelenz von echter Herzlichkeit und Freiwilligkeit geprägt. Schmunzelnd berichtete er von seinem „Kulturschock“ in Erkelenz, als er erstmalig in diesem Jahr den Karneval miterlebte. „Was für euch der Karneval ist, ist für uns in Thum die große Bergparade“, erklärte er und verwies auf das traditionelle Fest, das jedes Jahr am 1. Advent stattfindet. Die wechselseitigen Besuche und das gemeinsame Feiern hätten die Freundschaft zwischen den Städten immer weiter gestärkt.
Motivation für die Zukunft
Die Vorsitzende des Partnerschaftskomitees, Maria Sprenger, zeigte sich in ihrer Rede besorgt über die aktuellen politische Entwicklungen. Sie betonte, wie wichtig Partnerschaften wie die zwischen Lövenich und Thum seien: „Das ist Partnerschaft, wie sie im Idealfall sein sollte – geprägt von Freundschaft und gegenseitigem Verständnis.“ Sie hob hervor, dass es viele Fortschritte gebe, auf die man stolz sein könne. „1989 haben wir ein Ziel erreicht, das 40 Jahre lang in unerreichbarer Ferne lag: die Deutsche Einheit und die friedliche Überwindung einer Diktatur.“ Dieses Jubiläum sei daher nicht nur ein Anlass zum Feiern, sondern auch eine Motivation, sich gemeinsam „für gegenseitiges Verstehen, für ein Miteinander in Ost und West, in Europa und auf der Grundlage unseres heute nun gemeinsamen Grundgesetzes zu engagieren.“
Freundschaft seit 1991
Die Freundschaft zwischen Thum und Lövenich besteht nicht erst seit 2014, sondern wurzelt in ersten Begegnungen, die bereits 1991 durch familiäre Verbindungen entstanden sind und später in die Gründung des Freundeskreis Erkelenz-Thum mündeten. Mit einer Bilderpräsentation erinnerte Klaus Ruetz, Vorsitzender des Vereins, an die frühen Besuche und er lenkte auch den Blick auf die Folgejahre bis hin zu Treffen aus der jüngeren Vergangenheit.
„Über 50 Begegnungen geselliger und kultureller Art haben in den mehr als dreißig Jahren stattgefunden, und der Freundeskreis Erkelenz-Thum zählt heute rund 120 Mitglieder“, berichtete Klaus Ruetz stolz. Sichtbare Zeichen dieser langjährigen Verbindung sind die Eberesche und der Gedenkstein, die auf dem Lövenicher Dorfplatz an die Freundschaft erinnern.
Als Gastgeschenke wurden kulinarische Spezialitäten wurden ausgetauscht. Bürgermeister Stephan Muckel überreichte seinem Thumer Amtskollegen einen Präsentekorb, der unter anderem ein Glas rheinisches Rübenkraut und ein Säckchen Kartoffeln enthielt. Im Gegenzug hatte Thomas Mauersberger für Stephan Muckel einen „Thum-Rucksack“ mit allerlei Leckereien gepackt, darunter ein Baumkuchen, eine erzgebirgische Spezialität.
Auch der Eintrag ins Goldene Buch durfte nicht fehlen. Den Anfang machte Ehrengast Thomas Mauersberger, danach folgten Bürgermeister Stephan Muckel, Christel Honold-Ziegahn für den Bezirksausschuss Lövenich und Maria Sprenger als Vorsitzende des Partnerschaftskomitees.
Ein musikalisches Intermezzo gab die Thumerin Brigitte Lohr, die mit dem „Lied vom Vogelbeerbaum“ für Stimmung sorgte. Am Keyboard begleitet wurde sie von Norbert Brendt, der spontan für den erkrankten Musiker Theo Schläger einsprang.
Nach dem Festakt nahm der Erste Beigeordnete Dr. Hans-Heiner Gotzen die Thumer Gäste und einige Erkelenzer mit zu einem Rundgang durch die von Baustellen geprägte Innenstadt. „Wenn Sie im nächsten Jahr wiederkommen, wird es hier schon ganz anders aussehen“, sagte er beim Spaziergang durch die etwas unwegsame Baustelle am Markt. Begeistert zeigte man sich von der imposanten Mobilstation sowie dem neu gestalteten Franziskanerplatz, der sogleich als Kulisse für ein Erinnerungsfoto genutzt wurde.
Ausstellung in der Stadtbücherei
Bereits am Vorabend stand die Eröffnung der Ausstellung „Friedliche Revolution und deutsche Einheit kompakt“ in der gut gefüllten Leonhardskapelle auf dem Programm. Vier der Gäste aus Thum schilderten als Zeitzeugen ihre persönlichen Erfahrungen aus der Zeit vor und nach der Wende, darunter Klaus Schubert, der erste frei gewählte Bürgermeister der Gemeinde Jahnsbach (heute Teil von Thum).
Alle vier Redner hatten eines gemeinsam: Sie engagierten sich in verschiedenen politischen oder gesellschaftlichen Bereichen und mussten sich gegen die Repressalien des DDR-Systems durchsetzen. Der Druck, den sie als Andersdenkende oder als Mitglieder der CDU erlebten, beeinflusste sowohl ihre beruflichen als auch privaten Lebenswege.
Ein Beispiel hierfür war der schwierige Zugang zu Bildung und beruflichem Aufstieg für Menschen aus Handwerkerfamilien oder solchen, die der SED nicht angehörten. Einer der Zeitzeugen, der den sogenannten dritten Bildungsweg wählte, schaffte es trotz staatlicher Hürden, sein Abitur und ein Studium zu absolvieren. Gleichzeitig war es in der DDR oft üblich, dass junge Menschen vor politische Entscheidungen gestellt wurden, wie zum Beispiel der Aufforderung zum Eintritt in die SED – was für viele den Druck bedeutete, sich entweder anzupassen oder berufliche und persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen.
Trotz dieser Herausforderungen engagierten sich die vier Weggefährten und übernahmen politische Ämter, um in ihrem Ort einen Beitrag zur friedlichen Veränderung zu leisten. Sie entschieden sich bewusst für den gewaltfreien Protest und nahmen an den Demonstrationen teil – wenn auch nicht an vorderster Front.
Die Ausstellung ist noch bis zum 18. Oktober in der Erkelenzer Stadtbücherei zu sehen. Sie zeigt auf fünf Tafeln zentrale Stationen der Wendezeit.